SCHEMATHERAPEUTISCHES COACHING
Nehmen wir die klassische Situation in der Schule, in der sich einzelne Kinder überfordert fühlen: Warum kehrt das eine Kind aggressive Tendenzen nach außen und warum zieht sich das andere in sich selbst zurück?
Ist es vorstellbar, dass hinter dem dissozialen Verhalten des einen und der Lernblockade des anderen Kindes letztlich ein ganz ähnliches Muster oder eben „Schema“ steckt?
Reagieren hier zwei verunsicherte Menschen auf ihre ganz eigene Weise auf Überforderung, Druck und Hilflosigkeit, während der Auslöser für das jeweilige Verhalten ein vergleichbares Schema ist, nämlich zum Beispiel das Gefühl von Verlassenheit und Instabilität oder von Unzulänglichkeit und Scham?
Beim schematherapeutischen Coaching (kurz: Schema-Coaching) arbeite ich mit den eingängigen Visualisierungen und Erklärungsansätzen, die der Schematherapie entlehnt sind. Dabei geht man davon aus, dass alle Menschen wunde Punkte und Verletzlichkeiten in sich tragen. Neurobiologisch sind diese „Trigger“ mit der Reifung unseres Gehirns anhand von wiederholt aufgetretenen, emotionsintensiven Schlüsselsituationen erklärbar. Heißt mit anderen Worten: Frühere Erlebnisse hinterlassen unweigerlich einen „Fingerabdruck“ im Gehirn. Diese wunden Punkte werden ein Teil von uns. Sie sind unsere „Schemata“ und stellen ein Lebensthema dar.
Abhängig vom jeweiligen Temperament und der eigenen Sozialisation entwickelt jeder Mensch individuelle Bewältigungsreaktionen für seine Schemata. Diese Reaktionen und Zustände nennen wir „Modi“. Sie sind vielfältig und mitunter dysfunktional, also situationsunangemessen.
Eine solche Bewältigungsreaktion könnte das ängstliche Verhalten des Mädchens mit der Lernblockade darstellen oder dem aggressiven Verhalten des kleinen Jungen aus dem oben genannten Beispiel zugrunde liegen, wobei sich voreilige Schlüsse gerade im sensiblen Umgang mit Kindern und Jugendlichen natürlich verbieten.
Gleich zu Beginn der gemeinsamen Arbeit lernen auch schon kleinere Kinder, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass sie sich in unterschiedlichen „Zuständen“, also „Modi“ im Sinne der Schematherapie, befinden können. Diese gehen mit unterschiedlichen Emotionen einher. Dem wollen wir im Schema-Coaching auf die Spur kommen.
Mit der Hilfe kreativer und spielerischer Techniken benennen wir Gefühle und erklären Eltern und Kindern, dass alle Gefühle sein dürfen und es keine „guten“ oder „schlechten“ Gefühle gibt. Die „Gefühlsmonsterkarten“ wecken Assoziationen bei den jüngeren Klient/innen und machen einen ersten Zugang zu ihren Gefühlen möglich. Sehr beliebt bei den Kindern sind auch die Klappmaulpuppen Ronja und Lasse und ihre beiden kleinen Freunde. Man kann nur staunen, mit wieviel Weisheit und Lösungskompetenz die Kinder diese Puppen aufladen und quasi von außen auf ihre eigene Situation schauen. Auf spielerische Weise verhilft das Coaching so auch schon jüngeren Kindern dazu, Ordnung in ihr Gefühlschaos zu bringen und ihre Selbstwahrnehmung zu stärken.
Für die Jugendlichen gilt hier eher das Zitat von Samuel Johnson, einem englischen Gelehrten aus dem 18. Jahrhundert:
„Sprache ist die Kleidung der Gedanken“.
Im Gespräch und mit altersentsprechenden Hilfestellungen erarbeiten wir einen Zugang zu den Gefühlen der Jugendlichen und beleuchten ihre Modi.
Im nächsten Schritt lernen die Kinder und Jugendlichen, welche Bewältigungsstrategien sie sich zugelegt haben, um sich die erkannten, unangenehmen Gefühle „vom Leib zu halten“. Wir entwerfen dafür eine sogenannte „Moduslandkarte“, in der die dysfunktionalen Verhaltensweisen erklärt und zugeordnet werden, aber auch die Stärken und Besonderheiten des Kindes oder Jugendlichen. Diese Landkarte gibt Kind und Eltern eine Orientierung beim Erkennen der „Knackpunkte“ im alltäglichen Leben.
Wir beginnen also erst einmal damit, Ordnung auf der „hinteren Bühne“ zu schaffen und adressieren nicht direkt das gezeigte, problematische Verhalten. Indem Gefühle benannt und Verhaltensweisen bestimmten Frustrationen zugeordnet werden, entsteht ein Bewusstsein für die Zusammenhänge von Emotionen und Verhaltensweisen. Von dieser tiefer liegenden „Modusebene“ gehen wirkliche und nachhaltige Veränderungen aus.
Der Transfer in den Alltag stellt dabei einen wesentlichen Baustein des Coachings dar.
Ein wichtiger Schritt zur Neu-Orientierung ist dabei die Arbeit mit dem „Clever-Modus“. Hier werden einerseits die vorhandenen Stärken des Kindes bzw. Jugendlichen zusammengetragen und ihm immer wieder bewusst gemacht. Zum anderen erarbeiten wir alternative und funktionalere Verhaltensweisen, die die automatisierten, dysfunktionalen Abläufe ablösen können. Gemeinsam mit dem Kind bzw. Jugendlichen finden wir heraus, was es braucht und wie es sich selbst unterstützen kann, reifere Anteile zu aktivieren und zu einer besseren Selbstregulation zu finden.
Schlussendlich wird das veränderte Verhalten eingeübt. Die vielfältigen Spielangebote für jedes Alter in der Praxis sind dafür ein erstes hilfreiches Übungsfeld. Daneben gibt es wunderbare Hilfestellungen, die Sie im Alltag mit Ihren Kindern ohne großen Aufwand anwenden können.